[Musikintro]
>> MARIANNE SAAM: Und mir kommt jetzt immer mehr der Gedanke, dass bei Open so ein bisschen
die Frage im Raum steht, wie können wir Teile von der Diskussion, die in so engen Communities
schon funktionieren, wie können wir die öffnen auf eine größere Community? Ja. Mein Kritikpunkt an dem Ganzen ist immer die
Frage der Aufmerksamkeit. Also, menschliche Aufmerksamkeit ist begrenzt. >> MARIANNE SAAM: Ja, also meine Wahrnehmung
ist, Open Science in den Wirtschaftswissenschaften kommt au
s der Nische und aus dem Informellen
heraus. >> MARIANNE SAAM: Abel Brodeur war am Anfang
selber überrascht, welchen Erfolg das hat. Diese Idee, solche Hackathons eben zu organisieren. Also ein- bis zweitägige Events, wo Leute
zusammen programmieren, aber eben nicht irgendwelche, sag ich mal, Softwareprobleme lösen, sondern
versuchen, Papers zu replizieren. Und auch das ist ja auch, das wird ja dort
nicht just for Fun gemacht, sondern das ist ja auch Teil so einer Meta Science-Forschungsperspekt
ive. >> DOREEN SIEGFRIED: Hallo und herzlich willkommen
zu einer neuen Folge von "The Future is Open Science", dem Podcast der ZBW. Mein Name ist Doreen Siegfried und ich treffe
mich hier mit ganz unterschiedlichen Leuten aus dem Wissenschaftsbetrieb, die sich aus
vielfältigen Perspektiven mit dem Thema Open Science beschäftigen. Heute haben wir eine Wirtschaftswissenschaftlerin
hier zu Gast, die uns Einblicke in ihre Praxis gibt. Sie ist Professorin für Digitale Wirtschaftswissenschaft
an der U
niversität Hamburg und sie leitet in der ZBW den Programmbereich Open Economics. Sie ist also im besten Sinne eine Brückenbauerin. Es geht zum einen um die Brücken zwischen
Forschung und Forschungsinfrastrukturen, es geht aber zum anderen auch um Brücken zwischen
Open Science Proponent:innen und Wirtschaftsforschenden, die sich über Transparenz, Offenheit, Replizierbarkeit
der Forschung und andere Themen in diesem Kontext noch bislang keine so großen Gedanken
gemacht haben. Herzlich willkommen,
Professor Dr. Marianne
Saam! >> MARIANNE SAAM: Ja, hallo. Ich freue mich, dass wir das heute machen. >> DOREEN SIEGFRIED: Sehr schön. Du bist Expertin für digitale Wirtschaftswissenschaft. Was waren so deine Anfänge mit dem Digitalen
und insbesondere mit digitaler Forschung? >> MARIANNE SAAM: Ja, die Anfänge waren eigentlich
zwei verschiedene ursprünglich. Also meine Anfänge mit dem Digitalen und
meine Anfänge mit der digitalen Forschung, das war zumindest für mich bewusst, waren
das erst mal zw
ei verschiedene Sachen. Meine Anfänge mit dem Digitalen liegen in
meinem Interesse an Wirtschaftswachstum und zunehmendem Wohlstand in der Gesellschaft. Was ist eigentlich materieller Wohlstand? Wie sind wir insbesondere in den reichen Ländern
zu dem Wohlstand gekommen, den wir heute haben? Und welches Potenzial hatten und haben nun
die digitalen Technologien, um diesen Wohlstand auszubauen, nachhaltiger zu machen, besser
zu verteilen oder vielleicht auch nichts von alledem? Das ist so ein Forsc
hungsinteresse von mir. Jetzt die digitale Forschung, das lief dann
parallel. Ich bin 1995 an die Uni gekommen, zunächst
mal als Studentin, und tatsächlich hatte ich mein erstes E-Mail-Account an der Uni. Also, ich hatte vorher nie E-Mail, nie Internet,
das fiel historisch so zusammen. Und ich habe dann studiert, wohl mit einem
Computer, ich weiß gar nicht mehr wie der aussah. Also jedenfalls nicht wie unsere heutigen
Laptops. Und ich habe da wohl die eine oder andere
Seminararbeit auf diesem Co
mputer geschrieben. Aber ansonsten habe ich noch weitgehend auf
Papier gelernt, gelesen, ausgedruckt, in der Bibliothek fotokopiert, ausgeliehen und auch
meine Promotion habe ich noch so begonnen. Also, ich habe tatsächlich noch telefoniert
mit jemandem und der hat mir dann zugesagt, Discussion Paper per Post zu schicken. >> DOREEN SIEGFRIED: Ah, okay. >> MARIANNE SAAM: Ja. Und das fiel dann aber schon in die Jahre,
wo sich das sehr rasch wandelte. Also, das war, glaube ich, schon so eine ausste
rbende
Praktik zu dem Moment, wo ich diese Discussion Paper - ich weiß sogar noch, welche das sind
- mit der Post bekam. Und dann war ich natürlich privat, wie viele
jungen Leute damals, schon selbstverständlich im Internet unterwegs und dann ist mir das
gar nicht so aufgefallen, dass ich innerhalb kurzer Zeit eigentlich dieses Papier nicht
mehr benötigt habe, sondern auf ganz viele Forschungspapiere digital zugreifen konnte. Das, das war einfach so da, da habe ich mir
gar nicht weiter Gedanken
gemacht und das hat dann natürlich digital funktioniert. Ja, das andere ist eben, dass ich für meine
Forschung, also ich habe erstmal mehr theoretische Forschung gemacht, tatsächlich mit Papier
und Bleistift. So funktioniert auch meine theoretische Forschung
heute noch. Und dann habe ich aber angefangen, auch Modelle
zu simulieren und dann auch mehr und mehr ökonometrisch zu arbeiten. Und dazu brauchte man natürlich damals wie
heute so rudimentäre Programmierkenntnisse. Da habe ich tatsächlich a
us dem Diplomstudium
auch nur sehr wenig mitgebracht. Also, ich hatte da nur ein ganz klein bisschen
EViews, ganz klein bisschen STATA gelernt, aber ansonsten habe ich mir das so on the
Job dann in meiner Promotion und später in meiner Postdoc Phase angeeignet. >> DOREEN SIEGFRIED: Selber auch beigebracht. Mehr oder weniger oder? >> MARIANNE SAAM: Ja. Selber beigebracht, ins Büro nebenan gelaufen,
wie es geht. Auch - und das ist jetzt rückblickend auch
so eine Brücke zu dem Open Science, wie ich
das heute mache - natürlich auch Code von
anderen Leuten bekommen. Teilweise auch über E-Mail-Korrespondenz. "Du, ich finde Dein Paper interessant. Könntest du mir Deinen Code schicken?" Und dann natürlich auch darüber was gelernt,
indem ich dann erst mal geschaut habe, wie ist denn das programmiert und was will ich
denn machen? Ist das vielleicht so ähnlich? Kann ich vielleicht copy paste ein bisschen
was davon nehmen? Ja, so war das. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, okay, und wenn du
sozusagen zur Tü
r nebenan gegangen bist, zu deinen Kolleginnen und Kollegen, war das
schwierig, dass die ihre Sachen geteilt haben, dass sie den Code rausgerückt haben, oder
war das sozusagen gar kein Problem? >> MARIANNE SAAM: Also, das war vor allem
in meiner Postdoc-Phase am ZEW, was ja auch ein Leibniz-Institut ist, in Mannheim. Dort war das überhaupt nicht schwierig. Ich glaube, das ist auch für Institutionen
durchaus nicht untypisch. Aber das ist auch das, was es eben ausmacht,
dann in einer Institution z
u sein. Dass die Häufigkeit, mit der ich da wohin
gehen kann, ist eine ganz andere als die Art und Weise, mit der ich jemandem, den ich gar
nicht kenne, eine E-Mail schicken kann. Also das kann ich zwar auch, aber da wären
die Responseraten schon zumindest damals sehr unterschiedlich gewesen und natürlich auch
selbstverständlich auch die Bereitschaft, unterschiedlich dann vielleicht zu helfen,
wenn das nicht gleich funktioniert. Und da hatten wir einfach am ZEW und haben
das da, glaube ich, bis
heute, und eine sehr gute Zusammenarbeit. Und das ist aber auch, glaube ich, was, was
ein gutes wissenschaftliches Umfeld ausmacht. Und was dann aber auch ein Stück weit dieses
in einer Institution unterscheidet von in einer wesentlich loseren Community zu sein. >> DOREEN SIEGFRIED: Wo hast du denn in deiner
Forschungslaufbahn ein Defizit erlebt? An Offenheit und Zugänglichkeit von Forschung? Hast du das überhaupt erlebt? >> MARIANNE SAAM: Ja, also, ich habe das wahrscheinlich
nicht so unter die
sem abstrakten Oberbegriff der Offenheit gefasst. Ich habe mehrfach auch Schwierigkeiten gehabt,
Dinge zu replizieren. Das waren ja zwei, drei, vier Gelegenheiten,
wo das für meine eigene Forschung wichtig war, wo die mir auch freundlicherweise den
Code bereit geschickt hatten. Aber wo beim besten Willen bei mir das nicht
so funktioniert hat, wie sie das ja behauptet haben, dass das funktioniert. Das ist das eine. Dann habe ich aber auch selber gemerkt, dass
meine Programmierskills nun auch nich
t so berauschend waren, dass ich insbesondere in
der Phase, wo ich zwischen sehr vielen Projekten hin und her geswitcht bin, dass ich dann,
wenn ich mal ein paar Wochen nicht an dem einen Projekt war, sondern an dem anderen,
dass ich mich da erst mal wieder durchwurschteln musste, was die Co-Autorinnen und Co-Autoren
und ich da überhaupt gemacht hatten. Und das ist also damals habe ich nicht gedacht,
"Oh Mensch, Open Science da bist du ja erst bei zwei von fünf". Ich hatte gar nicht diesen Begri
ff von Open
Science. Aber wenn ich jetzt zurückschaue, dann war
das natürlich ein Defizit auch an entsprechenden Praktiken und Skills, sowohl bei mir als auch
bei anderen. >> DOREEN SIEGFRIED: Und hast du dann sozusagen
dieses nicht replizieren können. Also, ich kenne das aus anderen Gesprächen. Es gibt ja auch irgendwie so diesen "Student's
Guide to Open Science" von der Charlotte Pennington, die auch schreiben "Okay, wenn man noch ganz
jung ist, ganz frisch anfängt und irgendwas nicht replizie
rt bekommt, dann ist ja die
logische Konsequenz, ich selber kann es nicht oder ich krieg‘s halt einfach nicht hin." Also, man stellt eher sich selbst in Frage,
als dass man tatsächlich die Replizierbarkeit des Papers in Frage stellt. War das bei dir ähnlich oder war das relativ
klar, dass das, dass es an dem liegt, was du vor Dir auf dem Schreibtisch hattest? >> MARIANNE SAAM: Also, zum Glück hatte ich,
glaube ich, da nicht so die Zweifel an mir selber, je nachdem, wo das Problem lag. Also, war
ich mir nicht ganz klar, ist das
eigentlich als wissenschaftliche Praktik noch okay oder nicht? Ja, zum Beispiel bei nichtlinearen Schätzmethoden,
da kann es sein, das ist auch kein Fehler. Das ist einfach so, dass die ein anderes Ergebnis
liefern, je nachdem, welche Startwerte man da reinsteckt. Und man muss Startwerte reinstecken, geht
gar nicht anders. Ja. Und dann, im allerschlechtesten Fall, sind
sie dann noch nicht robust gegenüber der Software oder der Hardware. Auch das ist ja nicht ein
Fehler der Autoren. Jeder hat halt irgendeine Software und irgendeine
Hardware. Und gerade bei so mangelnder Robustheit von
Ergebnissen, da habe ich dann, war ich auch innerlich am Suchen, zumal ja kein Ergebnis
die perfekte Robustheit hat. Also das ist auch vielleicht so ein, sag ich
mal, Anfängerfehler, den man, aus meiner Sicht, nicht machen sollte. Jetzt mal alles, was nicht robust ist, irgendwie
erst mal laut anzuprangern und zu sagen, oh, das ist aber gar kein Open Science und da
haben … E
rgebnisse sind an irgendeinem Punkt in der Regel dann nicht mehr robust. Aber was natürlich nicht passieren sollte,
ist, dass, sag ich mal, irgendeine relativ lineare Geschichte auf meinem Computer nicht
durchläuft und andere Ergebnisse ausspuckt und dann jemand anders aber sagt, "nee, nee,
alles kein Problem." Auch die Art, oder sagen wir mal, Datenaufbereitung
ist ein großes Thema, die Daten, man bekommt die Daten von dort her, wo sie eingesammelt
werden, nie in der Form, in der man sie dann h
interher für die eigene Forschung verwendet. Und da ist natürlich sind Datenaufbereitungsschritte
nötig, und da ist natürlich eine Grauzone zwischen notwendiger Datenaufbereitung und
vielleicht die Daten ein bisschen mehr so aufzubereiten, wie das so dem eigenen Mindset,
was man gerne da rauskommen sehen würde, entspricht. Am ZEW hatten wir einen Kollegen, falls er
das hört, schöne Größe, über den hat unsere Vorgesetzte mal gesagt: "Der XY bereinigt
die Daten so lange, bis keine mehr da sind." J
a, also der wollte, glaube ich, auch immer
oder bis heute, besonders gründlich, besonders ehrlich sein, dass man da nicht irgendwelche
komischen Daten hat, die nicht aussagekräftig sind. Und das ist auch aus meiner Sicht, ja, das
ist mehr eine Kunst als eine Wissenschaft, wie ich das so mache, dass ich zum einen nicht
also, dass ich zum einen effektiv arbeite, dass ich nicht so lange grüble und bereinige
und hin und her schiebe, bis ich überhaupt gar kein Paper geschrieben habe. Dass ich zum and
eren selbstkritisch bin und
nicht hier und da irgendwie fünfe gerade sein lassen, nur weil das dann alles noch
ein bisschen schöner aussieht. Und wie ich dann vor allem transparent bin
und aber auch wieder mit der Transparenz mich auf das Wesentliche beschränke und nicht
von irgendwie drei Wochen Datenarbeit dann den Anspruch habe, jeden Schritt und jede
einzelne Überlegung zu berichten, denn das möchte ja gar niemand lesen. Ja.
>> DOREEN SIEGFRIED: Ja, ja, okay. Du hast gerade schon die Grauzon
en angesprochen. Wie sieht es denn aus in deinem Umfeld mit
sogenannten fragwürdigen Forschungspraktiken, also P-Hacking, HARking, Salami Slicing, was
es da sonst so alles gibt. Sind sich die Leute darüber bewusst, dass
das eigentlich eher Grauzone ist oder wie wird da in der Praxis mit umgegangen? Wie ist da deine Erfahrung? >> MARIANNE SAAM: Also, so ein grundlegendes
Bewusstsein ist auf jeden Fall da. Ehrlich gesagt, wenn es anders wäre, dann
könnte ich das hier auch nicht in diesem Podcast s
agen. Also, wenn ich jetzt überwiegend von Leuten
umgeben werde, wäre, wo ich denke, das klappt wirklich gar nicht. Also dann, das könnte ich hier gar nicht
sagen, wenn das so wäre, aber es ist auch nicht so. Hingegen die Einzelbegriffe, also zum Beispiel
also P-Hacking, okay, dass weiß ich, was das ist. Aber bei den anderen beiden Begriffen, da
müsste ich auch noch mal würde wieder anschauen, was ist eigentlich so die Abgrenzung davon. Und das ist das eine. Aber die viel größere Frage, und da i
st
aus meiner Sicht noch gar keine Antwort da, ist, was machen wir denn jetzt damit? Es ist also, die Problematiken nachzuweisen,
da gibt es ja auch statistische Verfahren, mit denen man so P-Hacking und so aus einer
Menge von Publikationen dann rausfiltern kann und so. Das ist, ich glaube, das Bewusstsein ist da. Aber was machen wir denn jetzt nun? Also da bin ich so ein bisschen allergisch
gegen so eine naive, irgendwie Open Science-Euphorie, „Oh, jetzt haben wir endlich all diese Missstände
u
nd jetzt, jetzt wird mal hier endlich aufgeräumt und jetzt werden wir mal allen Leuten erklären,
wie man das richtig macht.“ Denn, ich sehe also, für einen Teil der Frage gibt es einfache
Lösungen, aber für einen Teil der Frage sehe ich auch keine einfache Lösung. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, okay. Also, was ich häufig beobachte ist, dass
Leute zunehmend ihre Sachen präregistrieren, um tatsächlich dem Vorwurf aus dem Weg zu
gehen, sie hätten die Hypothesen erst gefunden, nachdem sie eigentlich schon
eine ganze Weile
ihre Daten gesichtet haben. Also, HARking ist ja sozusagen dieses Hypothesenfinden,
nachdem ich eigentlich schon ganz genau weiß, was kann das Material theoretisch hergeben. Würdest du sagen, dass Präregistrierungen
zunehmen? Werden die langsam Mainstream in den Wirtschaftswissenschaften? >> MARIANNE SAAM: Also, eine Zunahme sehe
ich da sicherlich. Ich glaube, das ist jetzt auch nicht ein persönliches
Empfinden, sondern dass ist mehr so der Eindruck aus meinen Recherchen jetzt
auch hier an der
ZBW. Also, dass ich mich auch mehr eingearbeitet
habe in die Literatur, den Diskurs zu Open Science. Ich denke, das sehen wir in meinem... Ich sehe es vor allem in der experimentellen
Forschung. Ich arbeite nur selber überhaupt nicht experimentell. Ich find's auch nicht überall geeignet, denn
dieses Explorative, also es kommt, hängt sehr von der Datenart und vom Forschungsthema
ab. Jetzt arbeite ich mich auch gerade zunehmend
ein in Textanalysemethoden und dieses interdisziplinä
re Text Asset Data-Lehrbuch, was ich jetzt auch
selber ja ein bisschen durchackere, weil das für mich jetzt auch wirklich in der Intensität
noch mal eine neue Wendung ist in meiner Forschungstätigkeit, das empfiehlt gerade, dieses explorative und
zirkuläre Vorgehen von Forschung auch anzuerkennen. Und nicht zu sagen, wir haben erst immer die
Hypothese und dann haben wir die Daten und so, das geht so linear. Sondern gerade bei diesen Textdaten, die ja
sehr vielschichtig, sehr amorph sind, da ist
das häufig so, dass ich überhaupt erst mal
gucken muss, was ist denn da. Und dass es auch ganz normal ist, das zu verwerfen. Ich möchte mal ein Beispiel nennen aus meiner
eigenen interdisziplinären Forschung. Hier mit dem Kollegen Ralf Krestel an der
ZBW explorieren wir unsere eigenen Suchdaten aus der Suchmaschine EconBiz, und wir hatten
mal eine Hypothese, was für eine Art Unterscheidung wir da wohl vornehmen können zwischen Suchtypen. Und wir haben das dann relativ quick and dirty
mal ausprob
iert. Erstmal manuell, mein Doktorand und ich, ob
denn so eine Unterscheidung funktioniert. Und dann haben wir festgestellt, unsere Klassifikationen
liegen komplett auseinander, diese Unterscheidung macht überhaupt keinen Sinn, und haben das
wieder verworfen. Das war aber noch nicht auf dem Level einer
vollständigen Forschungsarbeit. Das hätte überhaupt keinen Sinn gemacht. Der Aufwand wäre völlig unnütz gewesen,
diese Idee erst irgendwo prä zu registrieren und hinterher dann zu kommunizieren, d
as hat
nicht geklappt. Das interessiert überhaupt keinen. Wir waren noch in so einer frühen… Und das ist halt nicht die Ausnahme, sondern
das ist die Regel in zumindest solcher Forschung. Wenn ich natürlich irgendwo ein Experiment
mache, dann finde ich es schon stringent es zu präregistrieren, weil diese Experimente,
die sind auf eine Forschungsfrage hin zugeschnitten. Da gibt's vielleicht ein paar mögliche Varianten. Aber du kannst nicht mit Daten aus einem Labor
oder als Experiment mit Proband
innen und Probanden kannst du nicht zig verschiedene Dinge generieren,
sondern die sind eben, die Experimente finden statt zur Beantwortung dieser einen Frage. Ich glaube also, ich denke jetzt tatsächlich
in der Form gerade zum ersten Mal darüber nach. Aber ich würde sagen, Präregistrierung macht
dann Sinn, wenn Datenerhebung sehr kostspielig ist, zum einen. Und dann auch, wenn die Datenerhebung auf
die Forschungsfrage von Anfang an sehr stark zugeschnitten sein muss, weil dann ist es
auch nicht
sehr plausibel, im Nachhinein da noch eine andere Forschungsfrage dran zu klatschen. Während jetzt unsere EconBiz-Forschung ist
erstmal sehr explorativ und da sind irgendwie ein Dutzend verschiedene Forschungsfragen
im Raum und es würde überhaupt keinen Sinn machen, die zu präregistrieren. Und einige andere Forschungen, die ich bisher
gemacht habe, würde ich ähnlich sehen. Das müsste ich mal einzeln durchschauen. Also, es gibt manche, da würde ich sagen,
ja, Präregistrierung hätte rückblickend
Sinn gemacht und es gibt welche, da würde
ich sagen, das passt einfach nicht dazu. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, interessant. Also, ich kenne auch das Beispiel, dass Leute
tatsächlich, wie du sagtest, wenn tatsächlich eine größere Feldphase ins Haus steht und
sie wissen, jetzt mache ich wirklich mit viel Aufwand, was ja in der Regel gleichbedeutend
ist mit, es kostet sehr viel Geld, ich mache eine Präregistrierung und lasse die auch
tatsächlich kommentieren von meinen Peers, von meiner Community, um
dann gegebenenfalls
sogar noch mal Feedback einzuholen. Finde ich finde ich auch eine ganz interessante
Methode, sozusagen von so einem Pre-Peer Review quasi. Aber was mich noch interessieren würde, würdest
du von dir sagen, du hast Open Science-Praktiken erlernt, und wenn ja, wodurch? Was waren so deine besten Methoden, tatsächlich
die unterschiedlichen Praktiken zu erlernen? >> MARIANNE SAAM: Also, sehr viele verschiedene
Praktiken habe ich, ehrlich gesagt, nicht erlernt, bevor ich hierher kam
. Und das ist ja nun meine halbe Karriere schon
gewesen, bis so ungefähr bis an die ZBW. Was ich tatsächlich mal gelernt habe: Ich
habe in einem Drittmittelprojekt ein Papier geschrieben, zu viert. Einer davon war ein junger Doktorand und der
hatte tatsächlich einen Kurs damals schon besucht im Doktoranden-Programm, wie man replizierbar
programmiert. Und der hat das dann alles für unser Projekt
so umgesetzt. Und dann habe ich das von dem gelernt. Und das finde ich auch, nach wie vor einen
wertvo
llen Skill. Ich weiß nicht, ob ich es immer eins zu eins
so umgesetzt habe. Es hängt auch ein bisschen ab von den Co-Autorinnen,
Co-Autoren, die man dann hat. Auch die Frage, ist man selber die Person,
die so federführend den Code in der Hand hat oder macht das wer anders? Aber das ist, würde ich sagen, der eine Skill,
den ich gelernt habe. Ansonsten fällt mir, auch, wenn das vielleicht
so ein bisschen negativ klingt, fällt mir jetzt spontan keiner ein, den ich erlernt
hätte, bevor ich an die ZB
W kam. Aber es mag auch sein, dass ich das rückblickend
gesehen, eben manche Dinge, die ich gelernt habe, unter Open Science gefasst werden könnten,
obwohl ich das damals gar nicht so gesehen habe. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, okay. Der Begriff ist natürlich immer noch ziemlich
offen und weit. Manche würden sagen, etwas schwammig. Was zählt jetzt da drunter, was zählt da
nicht darunter? Aber wenn du jetzt sozusagen mit der Perspektive
von jetzt deinem jüngeren, sagen wir mal 25 -jährigen Ich etwas z
urufen könntest,
hättest du da, hättest du damals irgendwas anders gemacht mit dem Wissen von jetzt? Also noch früher das Coden gelernt oder noch
früher irgendwas gemacht? >> MARIANNE SAAM: Ja, wahrscheinlich das Coden
früher gelernt und auch die Art der Archivierung über die Jahre und die Jahrzehnte hinweg
von Anfang an da stringent durchgeführt. Mir kommt jetzt eigentlich erst in unserem
Gespräch noch mal hier auch in dem Sinn, welchen großen Beitrag so ein Institut, was
gut funktioniert... Ja
, das ist ja ein außeruniversitäres Institut,
ist auch in der Regel viel enger organisiert als so eine Fakultät an der Uni. Das hat schon einen großen Beitrag geleistet,
indem zum Beispiel alle Drittmittelprojekte irgendwie ordentlich archiviert werden mussten. Also, ich könnte mir vorstellen, dass, wenn
ich heute nachfrage nach dem Projekt XY, ich selber habe das gar nicht mehr, ich hab das
nicht alles mitgenommen, das war mir irgendwie zu viel. Die Paper waren ja dann auch veröffentlicht. Aber
ich könnte mir vorstellen, dass die
Kolleginnen und Kollegen das dann auch wieder auffinden können, und das ist schon auch
sozusagen ein Teil von Open Science. >> DOREEN SIEGFRIED: Absolut, ja. >> MARIANNE SAAM: Eine weitere Sache ist,
das, was du vorher gesagt hattest, dieses Peer Review. Das haben wir eben im Institut praktiziert,
dass Fragebögen natürlich intensivst gegenseitig lektoriert wurden von Befragungen, die wir
gemacht haben, auch um die Qualität halt sicherzustellen. Das waren ja h
äufig Drittmittelprojekte auch
Auftragsforschung für die Wirtschaftspolitik. Und mir kommt jetzt immer mehr der Gedanke,
dass bei Open Science so ein bisschen die Frage im Raum steht, wie können wir Teile
von der Diskussion, die in so engen Communities schon funktionieren, wie können wir die öffnen
auf eine größere Community? Mein Kritikpunkt an dem Ganzen ist immer die
Frage der Aufmerksamkeit. Also, menschliche Aufmerksamkeit ist begrenzt. Und natürlich die digitalen Tools können
uns entlasten
, dass die für uns, wenn wir das von Anfang an richtig bedienen, dass wir
auch da Zeitersparnis haben. Und das ist beim Coden wirklich sehr offensichtlich. Aber bei der Frage: Na ja, wer würde denn
alles meinen Fragebogen kommentieren? Ist das schon weniger offensichtlich. Wer sollte denn das tun und warum? Und innerhalb so eines Instituts, wo man zusammen
sozusagen arbeitet und zusammen Dinge erreichen möchte, da ist das, wenn das gut funktioniert,
auch ein ganz wichtiges Asset, dass das eben i
ntern funktioniert. Aber wenn ich das extern suche, wer sollte
das machen? Warum? Und die eine Institution, die wir haben, die
so was machen soll, ist das Peer Review bei den begutachteten Journals. Eine andere Institution sind vielleicht die
Vorträge auf Konferenzen und Workshops. Da gehört es auch, ist es eine gewünschte
und weit verbreitete Praktik, dass man dann Feedback gibt. Und ich denke an Workshops und Konferenzen
als Praktik, gibt's auch nicht so viel Kritik. An Peer Review - instituti
onalisierte Peer
Review - gibt es viel Kritik. Aber was bleibt, auch, wenn man diese Dinge
anders organisieren wollte, ist eben die Organisation von knapper Aufmerksamkeit. Und bei diesen ganzen digitalen Möglichkeiten
sehe ich auch so ein bisschen die Gefahr, dass man irgendwie Zahlenfriedhöfe schafft. Das ist auch ein Wort von meinem vorvorigen
Arbeitgeber, der ZEW, dem ZEW. Die ZBW, das ZEW. Ich versuche, das schon anderthalb Jahre. >> DOREEN SIEGFRIED: ZEW, MfG, ZBW, genau. >> MARIANNE SAAM:
Ja, und dort haben wir das
Wort zwar in einem anderen Kontext verwendet, aber mir gefällt das so, weil das irgendwie
symbolisiert, dass man ganz viel Informationen dann irgendwo hat und die liegt dann einfach
nur da. Und einerseits an irgendeinem Punkt brauchen
wir das, ist ja auch unsere Aufgabe als Bibliothek. Ja, wir müssen die Ergebnisse öffentlicher
Finanzierung, öffentlich finanzierter Forschung archivieren. Wohl wissend, dass nicht alles davon gleichermaßen
wieder gelesen wird. Und genau
so müssen wir auch mit Open Science,
wir müssen Daten und Code archivieren, wohl wissend, dass nicht alles davon wieder benutzt
wird. Aber wenn Open Science auch so sein soll,
dass eben mehrere Leute sich mit dem Gleichen beschäftigen und mehrere Leute das Gleiche
angucken, dann bleibt die Frage der Kanalisierung dieser Aufmerksamkeit. Also wo habe ich denn Zeit, nochmal einen
Fragebogen anzugucken, der präregistriert ist oder Code nachzunutzen, den jemand anders
publiziert hat? >> DOREEN SIEGFR
IED: Na ja. Also ich meine, das ist natürlich eine Frage,
es reicht nicht, das alles auf den Tisch zu werfen. Ich muss natürlich irgendwie auch Kommunikationsstrukturen
mit organisieren. Oder die Leute, die so an einem ähnlichen
Thema arbeiten, finden sich selbst. Ist die Frage, ob die sich von alleine finden
oder ob jemand sozusagen die Personen zusammenführt. Was ja auf jeden Fall hilfreich ist, wenn
Leute irgendwie selber sich daran machen, bestimmte Sachen aufzubereiten, was ja auch
mit sehr
viel Mühe verbunden ist, wenn diese Leute dann vielleicht die Möglichkeit haben,
zu erkennen, "Ah okay, das haben vor mir schon zwei andere gemacht und mit denen trete ich
dann vielleicht in den Austausch oder gucke mir direkt deren Daten an". Das macht alles natürlich ein bisschen einfacher,
wenn die Sachen zugänglich sind. >> DOREEN SIEGFRIED: Was mich noch interessieren
würde: Wie schätzt du denn die gegenwärtige Entwicklung im Wissenschaftsbetrieb ein, also
insbesondere in den Wirtschaftswi
ssenschaften? Wo gibt es denn positive Entwicklungen und
wer sind so in deinen Augen die großen Treiber, um dieses ganze Thema Replizierbarkeit, Open
Data, Open Access, Open Science sozusagen unter dem großen Dach zu pushen, voranzutreiben? >> MARIANNE SAAM: Ja, also meine Wahrnehmung
ist, Open Science in den Wirtschaftswissenschaften kommt aus der Nische und aus dem Informellen
heraus. Ich glaube, als informelle Praktik war es
schon weiterverbreitet, als vielleicht erscheint. Aber so dieses sic
h Open Science auf die Fahne
schreiben, das war lange eine Nischenangelegenheit. Und ich glaube, das kommt aus der Nische jetzt
momentan heraus. Das ist auch wirklich ein spannender Moment,
um selber da einzusteigen, eben in den letzten knapp zwei Jahren. Und das sind zum einen die Journals von den
großen Fachgesellschaften, die da Vorreiter sind, das Data Editor Office bei der American
Economic Association mit Lars Vilhuber. Es gibt einen Data Editor bei der Canadian
Association. Die Royal Econ
omic Society hat auch einen. Die AEA hat da eine gewisse Führerschaft,
auch mit den Ressourcen, die da reingesteckt werden. Also was diese Offices jeweils leisten können,
das hängt eben auch an den Ressourcen, die dort bereitgestellt werden, aber die arbeiten
auch sehr stark zusammen und das ist eben, das ist eben nicht mehr eine Nischenangelegenheit. Auch die Policies, die dann letztendlich gelten,
das wurde ja auch von Kollegen hier an der ZBW dokumentiert, in Fachartikeln, wie diese
Policies
bei den Journals sich über die Jahre verändert haben. Hin von „Na ja, wäre ganz schön, wenn
du deinen Code und deine Daten bereitstellst, wenn wir das Paper akzeptiert haben“ zu
"Wenn dein Paper akzeptiert werden soll, dann müssen Bedingungen abc erfüllt sein und
wenn die nicht erfüllt sind, wird das Paper nicht akzeptiert.“ Selbst wenn du vielleicht
super Referee Reviews hast. Das ist schon ein großer Wandel, aus meiner
Sicht. Dann der andere große Schritt sind die Initiativen
aus rund um das I
nstitute for Replication von Abel Brodeur aus Kanada. Das ist ja ein virtuelles Institut, eine Plattform,
auf der sich viele zusammengetan haben, um zu überlegen, wie können wir Replikation
organisieren, insbesondere von den Dingen, auch von den Papern, die nicht von vornherein
schon repliziert wurden oder reproduziert wurden, bevor sie akzeptiert werden beim Journal. Und dann gibt es ja diese, diese Hackathons. Die heißen, hilfst mir nochmal auf die Sprünge… >> DOREEN SIEGFRIED: Du meinst die R
eplikation
Games von Abel? >> MARIANNE SAAM: Ja, Replication Games. Ja, ja, genau. Das ist ja was, was jetzt erst so im letzten
Jahr entstanden ist und ich hatte selber jetzt noch nicht die Gelegenheit, dabei zu sein. Aber ich habe von einigen gehört, die dabei
sind. Und ich hatte auch den Eindruck, Abel Brodeur
war am Anfang selber überrascht, welchen Erfolg das hat, diese Idee, solche Hackathons
eben zu organisieren, also ein- bis zweitägige Events, wo Leute zusammen programmieren, aber
eben n
icht irgendwelche, sag ich mal, Softwareprobleme lösen, sondern versuchen, Papers zu replizieren. Und auch das ist ja auch, das wird ja dort
nicht just for fun gemacht, sondern das ist ja auch Teil so einer Meta Science-Forschungsperspektive,
wo eben Replizierbarkeit selber dann Gegenstand der Forschung wird. Und das ist so ein ganz interessantes Moment,
was wir da jetzt erleben. Und ich glaube, dass Reproduzierbarkeit auf
dem guten Weg ist, in den Wirtschaftswissenschaften soweit sichergestellt
zu werden, wie das eben
möglich und sinnvoll ist. Das mag noch ein paar Jahre, vielleicht auch
ein Jahrzehnt dauern. Aber ich glaube, das ist auf dem Weg. Hingegen all so diese softeren Dinge, was
eben P-Hacking, HARking und so weiter, das ist, glaube ich, noch offener, welchen Wandel
die eben genannten Initiativen da herbeiführen werden. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, okay. Also vielleicht mal für unsere Zuhörer:innen. Wir packen mal den Link zum Institut for Replication
in die Shownotes. Da können
Sie mal sehen, welche Fülle auch
an Replication Games es wirklich international gibt, wo wirklich hunderte Leute hin pilgern
und da anscheinend auch ihren Spaß haben, wie es scheint. Also, es ist nicht nur dröges auszählen
von irgendwelchen Sachen, scheint mir. Würdest du sagen, es gibt sowas wie internationale
oder nationale Trends, die sich vielleicht gegebenenfalls ablesen lassen? >> MARIANNE SAAM: Ja, also international. Ich meine die VWL ist keine national aufgestellte
Wissenschaft und ich
glaube, die nationale Sphäre ist dann eher die, in der die internationalen
Trends eben aufgegriffen werden und umgesetzt werden. Was wahrscheinlich doch eher national organisiert
ist, ist die wirtschaftspolitische Beratung, insbesondere eben zu nationalen Themen. Also, momentan sehe ich vor allem eben den
Trend, den wir eben besprochen haben. Darüber hinaus… Also was wir als Forschende in der Praxis
vielleicht nicht immer so im Blick haben, ist diese Open Access-Transformation. Also da passiert…
Das ist eben ein Thema der Infrastruktur,
was sehr wichtig ist. Und zwar nicht nur wegen Zugang. Also mit Zugang, würde ich sagen, habe ich
in meiner ganzen Karriere keine Probleme gehabt. Also die ein, zwei, drei Paper, die nun beim
besten Willen nicht zugänglich waren, gut, das war dann sozusagen deren Pech, wenn die
nicht zitiert wurden. Konnte ich auch nichts dafür. Es gibt so viele Paper, da findet man dann
… Und auch, sag ich mal, Top Paper, die schwer zugänglich waren. Da kann man schnel
l mal eben jemand fragen
per E-Mail, der woanders sitzt und dann hat man das. Also, für mich war es, sagen wir mal, außer
zu der Zeit, wo ich wirklich noch in der Bibliothek kopiert habe, danach war Zugang für mich
kein Problem. Aber was uns als Ökonominnen und Ökonomen
natürlich auch umtreibt, ist, was das Ganze dann kostet und auch, ob eben übermäßige
Profite von den Verlagen abgeschöpft werden. Ja, da sind wir ja als Wirtschaftswissenschaft
diejenigen, die das besonders interessiert, mehr als
jetzt vielleicht die Biologen oder
die Altphilologen oder so. Und da spielt die Wissenschaftspolitik und
die Infrastruktur, die Rolle der Infrastruktur wie der ZBW, spielen da ganz entscheidend
rein. Aber das kommt nicht so im Tagesgeschäft
der einzelnen Forschenden an, eher vielleicht auf der Ebene der Institutsleitung oder so. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, okay. Ich hatte dich hier angekündigt oder anmoderiert
als die Brückenbauerin in mehrfachem Sinne. Hast du eine Vision oder eine Vorstellung
od
er was möchtest du als Brückenbauerin gerne in diesen Rollen gerne erreichen? Also nehmen wir vielleicht erstmal vielleicht
die Brücke, vielleicht muss man das auch für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer erklären,
was eigentlich sozusagen eine Professur an der ZBW bedeutet. Das sind immer gemeinsame Professuren mit
einer Forschungseinrichtung, in dem Fall jetzt hier von Marianne Saam mit der Universität
Hamburg. Das heißt, du hast einen Schreibtischstuhl
in beiden Einrichtungen. Und wie… >> MARIANN
E SAAM: Darf ich da kurz einhaken? >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, natürlich. >> MARIANNE SAAM: Ich habe tatsächlich auf
den zweiten Schreibtischstuhl verzichtet. Der ist sozusagen eher digital, wenn man so
will. Aber ich bin in beiden Einrichtungen, die
ja auch sehr nahe beieinander liegen, und ja, aber ganz ohne Schreibtischstuhl. [beide lachen]
>> DOREEN SIEGFRIED: Ganze ohne Schreibtischstuhl. Okay. Aber was macht eine Professorin, eine Expertin
auch für Digital Change und Open Economics und digita
le Wirtschaftswissenschaft? Wie verbindest du, wie verbindest du sozusagen
diese beiden Berufe und auch deine Kenntnis als Wirtschaftsforscherin in diesen beiden
Rollen? >> MARIANNE SAAM: Also, meine Art und Weise,
die Rolle auszuüben, ist tatsächlich auch diese beiden Seiten immer so getrennt, aber
ineinandergreifend, zu nennen. Die Idee ist ja eben, dass die ZBW auch direkt
in ihrer Zielgruppe, eben der wirtschaftswissenschaftlichen Fachcommunity, vertreten ist, mit einer Professorin. Und dann
hat sich ja die Frage, dann noch
natürlich ohne mich, vor meiner Berufung gestellt, was macht die denn dann eigentlich
diese Professur? Ja, macht die dann Arbeitsmarktökonomie oder
macht die Wettbewerbsökonomie oder? Es gibt ja zig Felder. Und ich selber verstehe jetzt die Entscheidung,
hier die digitale Ökonomie zu besetzen eben so, dass sich das insofern gut ergänzt. Ich erforsche den digitalen Wandel der Wirtschaft
und beschäftige mich eben auch mit dem digitalen Wandel der Forschungspraktik
en. Ja, und die Wissenschaft letztendlich ist
ja auch eine Arbeit, die man macht. Und natürlich gibt es vielleicht auch Kolleginnen
und Kollegen, die untersuchen dann ausschließlich, die machen im Prinzip Wissenschaftsökonomie,
die untersuchen ausschließlich den Wandel der Wissenschaft. Das mache ich nicht und das finde ich eigentlich
auch sinnvoll, weil ich das nicht so gut fände. Also, natürlich, zum einen finde ich es sinnvoll,
weil ich jetzt diesen Job machen kann. Wissenschaftsökonomin von
der Ausbildung
her bin ich nicht, das hätte dann jemand anders machen müssen. Aber ich finde es auch deswegen sinnvoll,
weil es mir nicht gut erscheint, wenn jetzt an der ZBW jemand wäre, der nur so Selbstbespiegelung
der Wissenschaft macht. Sondern ich habe ein genuin wirtschaftliches
Forschungsfeld weiterhin: Wirtschaftswachstum, Produktivität, Innovation. Das verorte ich auch mit der Mitarbeiterstelle
an der Uni Hamburg. Das ist sicherlich auch interessant für die
ZBW. Aber es ist keine Notwe
ndigkeit für die ZBW,
dass die ZBW eine Person hat, die sich mit Wirtschaftswachstum und Faktorsubstitution
beschäftigt. Da hätte es auch andere denkbare Optionen
gegeben. Was weiß ich, es hätte eine Person sein
können, die sich mit E-Ccommerce beschäftigt oder oder anderen Dingen. So. Und mein zweites Standbein ist eben die Meta
Science, dass ich digitale Transformation eben nicht nur in Unternehmen, Branchen, Ländern
erforsche, sondern in dem Betrieb Wissenschaft. Und da geht es aber heutzutag
e weniger um
die Frage: Ja, wie ist das denn, wenn das überhaupt digitalisiert wird? Das ist alles schon digital. Sondern da geht es mehr um die Frage eben,
wie werden denn diese digitalen Möglichkeiten genutzt, um Informationen zu suchen, um Informationen
auszuwerten? Und das ist so die Rolle in der Forschung. Jetzt die Brückenrolle, die geht natürlich
weit über die Forschung heraus, da hinaus. Da wäre so ein bisschen die Frage, welchen
Aspekt wir da jetzt beleuchten wollen? >> DOREEN SIEGFRIED
: Also, das ist ja eine
große Chance, dass du jetzt ausgerechnet als Professorin für Wirtschaftswissenschaften,
jetzt mal Spezialisierung hintenangestellt, ja in die Möglichkeit kommst oder in die
Situation kommst, deinen Peers zu erklären, was eigentlich eine wissenschaftliche Informationsinfrastruktureinrichtung,
was die macht, was die machen könnte, wo da Potenziale sind. Dieses Konstrukt auch zu erläutern und vielleicht
diese Welten auch in gewisser Weise zu verbinden. Du hast ja beispielswe
ise letztes Jahr beim
Verein für Socialpolitik auf der Jahrestagung erstmalig ein Panel organisiert mit hochrangigen
Gästen. Es gab jetzt im April ein Open Science Symposium
mit spannenden Gästen aus der Wirtschaftsforschung, wo tatsächlich Leute mal zusammengebracht
wurden, die sich tatsächlich mal aus so einer Metaperspektive mit ihrem, mit ihrer eigenen
Domäne beschäftigen. Was wäre, wenn das also, was wäre so deine
ideale Vorstellung, sagen wir mal, so in zwei Jahren oder in drei Jahren, wen
n du es schaffst,
weiter erfolgreich tätig zu sein, wie würde das Ideal aussehen, das Ergebnis? >> MARIANNE SAAM: Ja, also, vielleicht vorneweg,
was die Infrastruktur macht, das ist natürlich relativ breit gefächert und da sind jetzt
Dinge dabei wie eben Literaturbereitstellung oder auch die Aktivitäten in den nationalen
Forschungsdaten, Infrastrukturen, die eben vor allem, um die sich vor allem Klaus Tochtermann
kümmert. Die haben wieder eine andere Gestalt als jetzt
das, was ich da mit rundum
Reproduzierbarkeit mache. Aber um jetzt mal bei dem Thema der Reproduzierbarkeit
und der Replizierbarkeit zu bleiben, da habe ich den Eindruck, dass momentan so ein Ökosystem
entsteht, was bisher nur teilweise institutionalisiert ist. Sowohl eben in Form von Organisationen, die
für irgendwas zuständig sind, als auch von Praktiken, die sich institutionalisiert haben,
und wo die Leute wissen und sagen, „Aha, wenn ich das Ziel habe, dann muss ich irgendwie
abc machen“. Und ich finde … Also, mein An
spruch ist,
dass wir als Infrastruktur dieses Ökosystem - ja, ist auch so ein bisschen so ein Modewort
Ökosystem. Aber nehmen wir es mal, dass wir das mitgestalten,
ohne momentan eine vorgefertigte Agenda, so und so soll in fünf Jahren das Ökosystem
sein. Ich glaube, dafür ist es jetzt noch zu früh. Aber mein Anspruch ist, dass wir gerade die
vielen vereinzelten Leute, die vielleicht jetzt nicht irgendwo Data Editor sind, die
aber Lust haben, da was zu machen, oder die, die beim Hackathon waren,
beim Replication
Game waren, und sagen „Das war jetzt eine super Erfahrung, hat super Spaß gemacht,
aber damit soll das für mich nicht zu Ende sein.“ Dass, wenn die so die Frage im Kopf
haben: Ich würde mich da gerne engagieren, ich würde mich da gerne vernetzen, austauschen,
aber ich weiß nicht so richtig, mit wem? Dass wir für die die Anlaufstelle sind und
die zusammenbringen und die wiederum, aber auch matchen mit denen, die schon sehr stark
institutionalisiert sind und die, sagen wir mal, j
etzt vermutlich nicht einen Mangel an
Kontakten haben, aber die eben ihre, also das, was sie schon erarbeitet haben, auch
weiterverbreiten und in die Diskussion bringen wollen. Wie zum Beispiel eben jetzt Lars Vilhuber
von der American Economic Association. Und da sehe ich so eine Funktion und auch
so einen Hut, den, glaube ich, nur wir aufhaben, weil wir sind, weder die, die die Institution,
die jetzt schon ihre eigenen Erzeugnisse da sehr weit irgendwie reproduzierbar macht,
noch sind wir die,
sind wir, die Leute, die sagen, ich mache ein bisschen was, aber ich
weiß noch nicht so richtig, wie das alles geht. Sondern wir können ein Ankerpunkt sein, um
da Organisationen und Menschen zusammenzubringen. Und gleichzeitig finde ich aber das Spannende,
dass dieses Ökosystem momentan sehr wenig hierarchisch organisiert ist. Ja, es mag neben dem Ankerpunkt ZBW, mag es
da andere geben, und ich vermute, dass in zehn Jahren manches vielleicht nicht mehr
irgendwie ganz so bunt und aktivistisch is
t, obwohl ich das super fände, auch diesen Elan
beizubehalten. Aber dass Dinge vielleicht auch dann institutionalisiert
sind, zum Beispiel in der Form, dass man sagt, also jedes Paper in einem Journal, was halbwegs
auf sich hält und was sich von der Datenart dazu eignet, das muss einen Stempel haben:
„Ist reproduzierbar“ und wir haben jetzt auch geklärt, wer denn diesen Stempel draufsetzt. Ist das vielleicht die Institution, also die
Uni oder das Forschungsinstitut? Ist das vielleicht eine exter
ne Agentur? Machen das die Journals oder gibt es da irgend
so ein gemischtes Ökosystem? Und ich sehe unsere Rolle eben als einen von
mehreren, von vielen Shapern dieses Ökosystems, aber auch jemand, der den Hut sozusagen nicht
mehr abgeben kann. Also, es gibt vielleicht Leute, die machen
das jetzt, aber wir machen das auch noch in zehn oder 20 Jahren, halt je nach… Vielleicht nicht mehr exakt in derselben Art
und Weise, aber wir haben eben eine dauerhafte Zuständigkeit hierfür auch. >> DOREEN SI
EGFRIED: Ah, ja. Das ist spannend. Vielleicht noch mal ganz kurz letzte Frage. Nochmal deine Rolle zurück als Forscherin,
auch als Betreuungsperson für Nachwuchsforschende. Was würdest du mit den Erfahrungen, die du
jetzt gemacht hast, jungen Nachwuchsforschenden vielleicht raten, die, vielleicht gerade,
so wie du es dargestellt hast, noch auf der Suche sind oder vielleicht mal mitgemacht
haben, bei so einem Replication Game und sagen, jetzt möchte ich in das Thema einsteigen. Ich weiß aber gar
nicht, wie das jetzt geht. Und wen kann ich denn da fragen? Also, hast du da ein paar Tipps für Junge? >> MARIANNE SAAM: Also, ich glaube ganz jetzt,
sagen wir mal, jungen Doktorandinnen und Doktoranden, würde ich schon auch raten, erstmal zu schauen,
mit der eigenen Forschungsarbeit voranzukommen. Also ich war immer auch idealistisch, also
die Leute, die sich jetzt darüber hinaus noch engagieren wollen, die würde ich keinesfalls
bremsen. Aber wenn jetzt jemand sagt, na ja, was könnte
ich nur al
s allererstes machen, dann würde ich sagen, mit der eigenen Forschungsarbeit
anfangen. Ja. Reproduzierbarkeit auch einfordern, selber
umsetzen. Das ist manchmal natürlich auch eine Frage
von Verhältnissen in Teams. Ich fand, das hat Joachim Gassen, jetzt beim
Open Science Symposium auch sehr schön dargestellt. Das geht wirklich um Aushandeln von Arbeitspraktiken
in Teams. Also wenn mein Co-Autor, wenn der Code irgendwie
durcheinander ist, stelle ich mich dann hin und sage: Nee du, so möchte ich
nicht arbeiten. Es gibt da gewisse Standards und das sind
jetzt ist jetzt nicht so eine Geschmacksfrage, dass ich es lieber gerne in hellblau hätte,
sondern ich möchte, dass wir reproduzierbar forschen. Also, ich glaube, das konsequent umzusetzen
in der eigenen Forschung, das ist schon mal eine Aufgabe auch für junge Forschende. Und dann natürlich auch zu schauen, selbst
wenn ich jetzt beim Replication Game war, habe ich schon die Skills, habe ich ein Angebot
an meiner Hochschule? Kann da vielle
icht was organisiert werden? Können wir vielleicht einen Gastdozenten,
-dozentin einladen oder komme ich vielleicht zum Kurs von der ZBW? Ja und wenn dann jemand darüber hinaus noch
was machen will, dann ist natürlich auch die Möglichkeit, das selber zu erforschen
im Sinne von Meta Science, wenn man da begeistert ist. Und das ist, glaube ich, kein Nischenthema
mehr. Und ja, ansonsten würde ich sagen, tatsächlich
meldet euch bei uns, weil wir aus meiner Sicht jetzt im deutschsprachigen Raum die e
inzige
- ich hoffe, ich sag jetzt nichts Falsches und es sagt nicht jemand hinterher, „oh
Frau Siegfried, jetzt uns haben Sie da aber vergessen" -, aber ich sehe uns da als die
einzige überregionale Anlaufstelle für dieses Thema momentan im deutschsprachigen Raum. Und dann, wir wollen ja auch weiter Zusammenkünfte
organisieren, wo wir dann gemeinsam besprechen können, wie wir dieses Thema sozusagen in
die Hochschulen, in die Institute noch stärker reintragen. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, super. Ja,
das ist doch auch ein wunderbares Schlusswort. Vielen, vielen Dank Marianne, vielen Dank
auch an Sie an den Kopfhörern. Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen. Lassen Sie uns gerne Feedback da. Sagen sie auch Bescheid, wenn Sie alles ganz
anders sehen. Geben sie auch gerne kritische Rückmeldung,
sei es via E-Mail, Twitter, YouTube, LinkedIn. Abonnieren sie uns fleißig auf iTunes oder
Spotify oder wo auch immer sie gerne Podcasts hören und ich freue mich aufs nächste Mal. >> MARIANNE SAAM: Ja, vielen D
ank Doreen,
hat Spaß gemacht, wie immer. Und ich hoffe, das Hören macht auch Spaß. >> DOREEN SIEGFRIED: Ja, alles klar, tschüss! [Musikoutro]
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